Aufführungspraxis

Von Reto Parolari

Wann immer möglich, habe ich in meinen Programmen Kompositionen von Fischer dirigiert. Die meisten seiner Kompositionen sind hervorragend gedruckt und besitzen - in der U-Musik unüblich - Partituren. Von seiner bekanntesten Komposition „Südlich der Alpen“ existieren leider nur eineinhalb Sätze als handgeschriebene Partitur. Der Klavierauszug wiederum ist allerdings hervorragend gestaltet und die vielen Stichnoten und Hinweise lassen kaum Fragen aufkommen. Vor einigen Jahren hat dann der Verlag Heinrichshofen in verdienstvoller Weise eine Partitur herstellen lassen.

Als besonders gelungenes Werk moderner Unterhaltungsmusik betrachte ich die Suite „Danzorama“ in fünf Sätzen. Vor allem im fünften Satz „Billy's Boogie Woogie“ sieht man sein wahres Können der Orchestrierung. So modern dies alles klingt, kann doch jedes klassische Sinfonieorchester  diesen Satz ohne Probleme spielen. Die Streicher beschränken sich zuerst auf eine Pizzicatobegleitung. Im darauffolgenden B-Teil  setzt Ernst Fischer die Streicher in einen fünfstimmigen Legatosatz mit wenigen Synkopen. Hier nun schreibt Fischer seine ebenso typischen wie geschmackvollen Glissandi, die von Richard Müller-Lampertz etwas salopp als „Schmirando“ bezeichnet wurden, was Fischer im übrigen nicht störte. Die Holzbläser spielen unisono normale Achtelfiguren; freigestellt würde dies sehr „brav“ klingen. Sogar das Schlagzeug verlangt kein großes Swing-Feeling und kann so gespielt werden, wie die Stimme gedruckt ist. Einzig das Blech spielt punktierte Boogie-Figuren in einem synkopierten Thema, wobei selbst wieder die Hörner nur mit akzentuierten Einwürfen und gehaltenen Noten die Blech-Synkopen unterstützen. Die Harfe beschränkt sich auf wenige, aber effektvolle Glissandi. Das Ganze zusammen aber - nahezu ein Wunder - swingt mehr als manche Jazznummer!

Diese Genauigkeit der Partitur, die fachgerechte Behandlung der einzelnen Register sowie die oft vom Komponisten bereits notierten Stricharten für die Streicher machen es dem Dirigenten leicht, die Werke zu interpretieren. Wichtig ist, immer daran zu denken, was sowohl Ernst Fischer wie auch sein  Wiener Kollege Max Schönherr, (die sich übrigens beide sehr schätzten) zu Protokoll gaben: die Interpretation von Unterhaltungsmusik hängt in allererster Linie vom richtigen Tempo ab!    

Wichtig scheint mir bei Fischers Partituren, seine typischen Streicher-Glissandi wirklich mit Geschmack spielen zu lassen. Sie gehören nur dorthin, wo sie der Komponist wollte. Der Versuch, auch andernorts zu „schmieren“, liegt nahe. Auch seine Streichersätze in der engen Lage müssen unbedingt als Gesamtklang erfaßt werden, also als "Cluster". Dies gilt auch für die Holzbläser, für die Fischer häufig im Satz geschrieben hat. Die oft sehr virtuosen Läufe in den Holzbläsern haben schon den einen oder anderen Musiker zweimal hinschauen lassen…

In manchen von Fischers Werken sind wunderliche Wiederholungen vorhanden, welche formal keinen Sinn ergeben und einige Werke zu ermüdender Länge ausdehnen, so beispielsweise im dritten Satz „Blumen-Corso“ der Suite „Südlich der Alpen“. Ob dies Fischers Absicht oder ein Eingriff des Kopisten oder Verlegers war, ist kaum mehr zu eruieren. Er selber hatte jedenfalls einen ausgeprägten Sinn für richtige Form und Länge, so daß er sicher einverstanden wäre, wenn der eine oder andere Dirigent hier kürzend eingreift.

Gerade bei tanzbaren Titeln war die Praxis üblich und auch der Wunsch der Verleger, die Werke zu verlängern um den Tanzenden auch genügend Zeit geben zu können.

Daß fast alle Werke von Fischer in kleiner Besetzung spielbar sind, kann wohl jeder Kurkapellmeister bestätigen. Fischer hat in seinen Partituren die kleinen Besetzungen mitberücksichtigt, nach der Violine I auch gleich die Violine obligat (sie ersetzt in kleiner Besetzung die Violine II, Viola, sowie einige andere Instrumente) komponiert und seinen Manuskripten farbig bei den Bläserstimmen Stichnoten eingefügt. Dies stellt auch für einen Kopisten eine große Erleichterung dar und garantiert dem Urheber auch in kleiner Besetzung einen optimalen Klang.

Ernst Fischer hat wichtige musikalische Zeichen gesetzt. Sein Œuvre ist eine wahre Fundgrube, und wenn dieses Werkverzeichnis ein klein wenig dazu beitra­gen kann, daß sich Orchester, Diri­genten, aber auch Rundfunkredakteure ver­mehrt dieser Musik an­nehmen, dann ist sein Zweck erfüllt.